"Garantie" - oder was man darunter versteht...
Sollten Sie ein Fahrzeug wie die oben abgebildeten neu erworben haben und in diesem Zusammenhang etwas von 'Garantie' gehört haben, so sei Ihnen versichert, daß Sie garantiert Bauklötze staunen werden, wenn Sie im Schadensfall eventuell - wie ich - leichtfertig glauben, das könnte irgendwas mit dem zu tun haben, was man landläufig unter 'Garantie' zu verstehen glauben könnte. Oder würden Sie erwarten, daß Sie bei einem Schaden mal eben länger als ein Jahr auf Ihr Fahrzeug verzichten dürfen?
Doch beginnen wir ganz vorne:
Am 16.8.2010 brachte ich mein Fahrzeug wegen Öldruckverlust zum Händler, wo ich es gekauft hatte, nicht ahnend, daß das - im Nachhinein betrachtet - keine sonderlich gute Maßnahme war. Die ganze leidvolle Vorgeschichte finden Sie hier.
Somit konnte - in einer qualifizierten Werkstatt - erst am 30.8.2010 - dem Tag 0 im folgenden Bericht - mit zielführenden Arbeiten am Fahrzeug begonnen werden:
Wie man mir erklärte, beschränke sich die Garantieleistung der Weltfirma Piaggio darauf, von ihr selber anerkannte Schäden an ihren Produkten auf ihre Kosten und unter von ihr genau vorgegebenen Arbeitsschritten beheben zu lassen. Dazu würden selbstverständlich nicht irgendwelche Arbeiten zum Zwecke der Feststellung eines solchen Schadens gehören! Diese auszuführen, wäre - im Rahmen seiner Gewährleistungspflicht - Aufgabe meines Händlers gewesen, was jedoch, wie in schon genannter Vorgeschichte zu lesen ist, sowohl dessen Fähigkeiten als auch seine Bereitschaft dazu signifikant zu übersteigen scheint.
Man arbeitete also in engem Kontakt mit Piaggio, und berichtete denen zunächst von der Beobachtung, daß der Motor keinen ausreichenden Öldruck aufbaue, was von den Piaggioleuten mit der Aussage 'Probleme mit Ölpumpen haben wir bei solchen Motoren noch nie gehabt!' gekontert wurde. Schnell fand sich ein Argument, die eigenen Zweifel zu untermauern, da die Erkenntnis über den zu niedrigen Öldruck doch lediglich von einem durch einen unkundigen Endverbraucher (mich) nachgerüsteten Öldruckmesser eines Zubehöranbieters, der üblicherweise seine Produkte durch Zurschaustellung weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale zu pushen versucht, ermittelt wurde! (Um Regressforderungen vorzubeugen, nenne ich jetzt nicht den Namen dieses Anbieters; wer jemals einen Fuchsschwanz für die Antenne seines Manta brauchte, wird wissen, wenn ich meine!)
Da man eine Fehlmessung eines solchen Instruments um den Faktor 10 (0,5 Bar statt üblicher 5,5 Bar) also durchaus für möglich hielt, ordnete man von Seiten Piaggios eine Messung mit einem werkstattüblichen Manometer direkt am Motor an. Aufgrund der Tatsache, daß Öldruckprobleme an Piaggiomotoren tatsächlich ungewöhnlich sind, fehlt für eine solche Messung ein passender Adapter, der jedoch umgehend bei Piaggio bestellt wird.
Tag 3 (2.9.2010):
Der benötigte Adapter war eingetroffen, die Messung ergab, daß der von einem durch einen unkundigen Endverbraucher (mich) nachgerüstete Öldruckmesser eines Zubehöranbieters, der üblicherweise seine Produkte durch Zurschaustellung weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale zu pushen versucht, angezeigte Druck zutreffend war! Die Weltfirma Piaggio 'gestattet' nunmehr das Aufschrauben des Motors, zum Zwecke der Inaugenscheinnahme der Ölpumpe! ...hierzu wird ein piaggiotypisches Spezialwerkzeug benötigt, welches nun umgehend bei der Weltfirma Piaggio bestellt wird! In Aussicht gestellte Lieferzeit: 2 Tage! (Um nicht den Umfang dieses Berichts unnötig aufzublähen, thematisiere ich meine fruchtlosen Nachfragen nach dem Fortgang der Dinge nicht, und beschränke mich auf die Punkte, wo es eine erwähnenswerte Veränderung des Sachverhalts gab.)
Tag 16 (15.9.2010):
Am frühen Nachmittag erreicht mich eine SMS des in meinem Fahrzeug verbauten Erschütterungssensors und bei Anruf in der Werkstatt erfahre ich, daß das benötigte Spezialwerkzeug von Piaggio heute tatsächlich geliefert worden war (nur 11 Tage später als angekündigt!), und daß man festgestellt hatte, daß das Zahnrad der Ölpumpe auf einer Hälfte keine Zähne mehr hatte (Klick ins Bild!), was in dieser Form noch nie jemand so gesehen hatte, und was auch bei Piaggio große Verwunderung hervorgerufen hätte. Man sei sogleich daran gegangen, den Motor auszubauen und zu zerlegen, um nach der Ursache zu fahnden!
Tag 21 (20.9.2010):
Der Motor ist zerlegt worden, irgendwelche Rückstände des Ölpumpenzahnrads wurden nicht gefunden, Kurbelwelle und Kurbelwellenlager sind stark beschädigt, die Ölpumpe ebenfalls, am Ölansaugsieb befinden sich Reste nichtmagnetischer Späne, Kugellager im Getriebe waren z.T. schwergängig! Dieses ungewöhnliche Schadbild möchte man sich von Piaggioseite nun selber anschauen, und kündigt die Entsendung eines hauseigenen Technikers an!
Der Piaggiotechniker ist schon da gewesen! - Die Garantieanfrage wurde positiv beschieden; Teile wurden bestellt: Kurbelwelle, beide Motorgehäusehälften, alle Lager! Die Weltfirma Piaggio 'gewährt' für das Komplettieren des Motors acht Arbeitsstunden, die Werkstatt geht davon aus, daß sie bei gewissenhafter Arbeit wohl eher zwei Tage benötigen wird. Die Differenz würde ich dann bitte selber tragen müssen.....
Tag 39 (8.10.2010):
Per eMail informiert mich die Werkstatt, daß die Ankunft der benötigten Teile für die 42. oder 43. Kalenderwoche erwartet wird!
Tag 58 (27.10.2010):
Wir haben den zweiten Tag der 42. Kalenderwoche! Auf Nachfrage teilt mir die Werkstatt mit, daß die benötigten Teile Ende der Woche eintreffen sollen!
Tag 66 (4.11.2010):
Wir haben den vierten Tag der 43. Kalenderwoche! Auf Nachfrage teilt mir die Werkstatt mit, daß eine der beiden am 29.9.10 bestellten Lagerhälften immer noch im Rückstand ist.
Tag 81 (19.11.2010):
Auf Nachfrage teilt mir die Werkstatt mit, daß am kommenden Montag oder Dienstag wieder Teile von der Weltfirma Piaggio geliefert werden sollen; was genau, wisse man aber nicht!
Tag 86 (24.11.2010):
Wir haben Mittwoch nach besagtem "Montag oder Dienstag": Es war wieder nicht das erwartete Teil dabei! Voraussichtliche Lieferzeit 14 Tage! Die Teile kommen aus Frankreich oder Italien, wie man mir auf Befragen erklärt, die Lieferzeit sei normalerweise 3 Tage bis 3 Wochen, bei ausgefallenen Teilen könne es 'etwas' länger dauern...
Tag 101 (9.12.2010):
Vor 14 Tagen war eine Lieferung in 14 Tagen angekündigt worden, und die Lieferung ist tatsächlich eingetroffen! Aber an dem Motorblock hatte es inzwischen (seit März 2009!) technische Änderungen gegeben, daher passen jetzt Teile nicht zusammen, aber die fehlenden Teile hat man umgehend nachbestellt! - Technische Änderungen werden von der Weltfirma Piaggio wohl nicht sonderlich dokumentiert, wenn ich das richtig verstanden habe, und die jeweilige Artikelnummer der Teile bleibt unverändert, auch, wenn die ganz anders aussehen. Dies spart dem Hersteller zweifellos eine Menge Geld, und was die Inanspruchnahme der vielgepriesenen Piaggio-Garantie den Betroffenen kostet, scheint ja nicht so wichtig zu sein! Er hätte ja zwei Piaggiofahrzeuge kaufen können, dann hätte er mit etwas Glück immer noch eins zum Fahren!
Auf meine heutige Frage nach dem Stand der Dinge teilte man mir mit, daß der Motor nun in den wichtigsten Teilen zusammengefügt sei, aber daß nach wie vor Stopfen fehlen würden (es handelt sich um Stopfen für Bohrungen, die während der Fertigung/Bearbeitung der Gehäuse notwenig sind, aber später verschlossen sein müssen, wie man mir erklärte). Man habe jetzt Fotos gemacht und 'in die Schweiz' gemailt, in der Hoffnung, passende Teile bekommen zu können. Es habe aber auch Aussagen seitens Piaggio gegeben, daß es diese Art Stopfen garnicht mehr gäbe, und werkstattseitig würde man sich nun auch fragen, wieso dann Piaggio Gehäusehälften liefern würde, wenn es weitere benötigte Teile dafür garnicht gäbe! (...und ich persönlich frage mich, wieso - wenn diese Bohrungen nur während der Fertigung/Bearbeitung notwendig sind - diese nicht schon bei Auslieferung der Teile verschlossen sind!)
Die gelieferte Ölpumpe würde übrigens auch nicht in das Gehäuse passen, und auch hier habe man Fotos von Pumpe und Gehäuse gemacht, um zusammenpassende Teile ausfindig machen zu können (!).
Tag 176 (22.2.2011):
Eine Ölpumpe ist angekommen... (nur!)
Tag 192 (10.3.2011):
Der Fortgang der Dinge scheitert nach wie vor an einem einzigen Teil (Stopfen), das zu besorgen man sehr bemüht ist: Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist man bei Piaggio derzeit nicht in der Lage, einen Kostpreis für das fehlende Teil zu ermitteln: 'Die Abteilung Einkauf erzielt keine Übereinstimmung mit dem Hersteller, sodaß das Teil bestellbar gemacht werden kann' ...danach stelle sich dann die Frage der Bevorratung.
Ich empfinde es als besondere Ironie, daß dieser offensichtlich nur sehr aufwendig zu ermittelnde Kostpreis sich schlußendlich wohl nicht ansatzweise im Bereich der Kosten bewegen dürfte, die mir seit nunmehr fast sieben Monaten bei der unumgänglichen Nutzung eines Leihwagens täglich entstehen.
Tag 228 (15.4.2011):
Die telefonische Nachfrage in der Werkstatt ergibt die Auskunft, daß seit dem 10.3.2011 keine Änderungen des Sachstands zu verzeichnen sind; irgendwelche Rückmeldungen seitens der Weltfirma Piaggio hatte es nicht gegeben. - Nunja, mir sind in dieser Zeit weitere 910EU Kosten entstanden, aber das ist ja sicher zu vernachlässigen, ich bin ja nur Endkunde....
Tag 245 (2.5.2011):
Heute hatte ich Gelegenheit, so ein Teil, für das seit nunmehr fast acht Wochen intensiv versucht wird, einen Kostpreis zu ermitteln, aus der Nähe zu bewundern (Klick ins Bild!). Es fehlt nämlich wohl nur einer von mehreren Stopfen! Andere sind im Gehäuse verbaut! In meinen Augen also die 'ganz normale' piaggiotypische Schlamperei (wovon ich ja ausgehen muß, wenn auch Motoren zusammengebaut werden, ohne die Metallspäne der vorangegangenen Bearbeitung zu entfernen). Es wurden übrigens - wie ich heute erfuhr - voriges Jahr durchaus beide Motorgehäusehälften zusammen geliefert, leider passten sie aber nicht zusammen; deswegen die Wartzeit auf eine der Hälften! Daß die gelieferte Ölpumpe nicht in das gelieferte Gehäuse gepasst hatte, hatte ich ja schon erwähnt, und heute erfuhr ich, daß auch die Ölablaßschraube nicht gepasst hatte und nachbestellt werden musste. Überflüssig, zu erwähnen, daß der besagte Kostpreis offensichtlich noch immer nicht erfolgreich ermittelt werden konnte, denn es gibt nach wie vor keine positiven keinerlei Rückmeldungen seitens der Weltfirma Piaggio! - Allerdings gab es sehr wohl 'Rückmeldungen' meines Leihwagenanbieters: Der wollte 1340€ allein für die bisherige Zeit der Kostpreisermittlung.....
Heute ist der Tag, wo sich meine mir im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der "Garantie" der Weltfirma Piaggio entstehenden Kosten exakt mit den Anschaffungskosten des Fahrzeugs decken! Und selbstverständlich gibt es wieder Neuigkeiten: Der fehlende Stopfen konnte schon nach wenig mehr als 2 Monaten geliefert werden! ...beim weiteren Komplettieren des Motors stellt sich aber heraus, daß auch Bohrungen fehlen! Sowohl Gewindebohrungen für Befestigungszwecke (die man mit Werkstattmitteln evtl. noch nachfertigen könnte) als auch welche zur Führung des Schaltgestänges, die man leider nicht mit der notwendigen Präzision vor Ort nachrüsten kann. Aber ein Gehäuse mit Bohrungen ist schon bei Piaggio bestellt.....
Jetzt stelle ich mir selber doch die Frage: Wieviele Fahrzeuge mag Piaggio tatsächlich produzieren, wenn die, von denen man so hört und liest, bloß der kleine Anteil sind, der zufällig fehlerfrei ist und funktioniert?
Wenn man mich bitten würde, eine eingängige Bezeichnung für die Marketingstrategie der Weltfirma Piaggio (so wie sie sich mir darstellt) zu kreieren, würde ich vorbehaltlos "Sell an forget!" vorschlagen! Die von Piaggio an den Tag gelegte Zwanglosigkeit im Umgang mit ihren Endabnehmern im Verbund mit der Unbeschwertheit bei der offensichtlich nur rudimentär vorhandenen Ersatzteilverwaltung würde m.E. jedem Kleinserienhersteller von was-auch-immer in kürzester Zeit den Hals brechen, und ich bin sehr gespannt, inwieweit es mir vergönnt sein wird, doch noch evtl. ein paar positive Dinge hier berichten zu können.
Tag 330 (26.7.2011):
Nein, es gibt wirklich keine Neuigkeiten. Außer daß sich Piaggios Anwälte eine Frist erbeten hatten, um sich mit der Sache vertraut zu machen (am 9.6.11 !!!).
Tag 338 (3.8.2011):
Man hat sich nun wohl 'vertraut gemacht' und gibt seiner Verwunderung Ausdruck, daß mein Fahrzeug so lange in dieser Werkstatt steht. Man habe jedenfalls immer nur genau die Ersatzteile geliefert, die auch bestellt worden seien! - Ohne jetzt Stellung dazu nehmen zu wollen, leuchtet mir dann durchaus ein, daß es sich bei einem speziellen Motorgehäuse ohne bestimmte Bohrungen zweifellos nur um eine Sonderanfertigung gehandelt haben kann, wodurch sich die lange Lieferzeit ja plausibel erklären würde.....
Das Warten hat ein Ende! Heute konnte ich ein Jahr und drei Wochen nach Schadenseintritt das reparierte Fahrzeug in Empfang nehmen! Die mir entstandenen Kosten durch den Ausfall des Fahrzeugs und die dadurch notwendige Nutzung eines Leihwagens (ich hatte mich leichtsinnigerweise auf die Piaggiowerbung verlassen, die von einem zuverlässigen Fahreug für alle professionellen Ansprüche sprach) belaufen sich mit genau 10729,06€ auf deutlich mehr als das Doppelte der Reparaturkosten des Fahrzeugs, wobei selbst bei letzteren wohl noch mit Piaggio um die volle Übernahme gepokert werden muß, soweit ich bisher informiert bin.
Gegen Abschluß der Arbeiten hatten sich übrigens noch weitere Seltsamkeiten gezeigt.
Die weitere Entwicklung der Angelegenheit werde ich selbstverständlich hier festhalten.
Die komplette Vorgeschichte und den Grund für die verspätete Inangriffnahme der Reparatur finden Sie wie gesagt hier...
Ich lade jeden ein, die Unternehmenskultur der Firma Piaggio in Bezug auf ihre Endkunden zu würdigen: Hier!
Auch, wenn schon lange nichts Neues berichtet wurde, ist diese Seite nach wie vor im Aufbau, da noch nichts abgeschlossen ist. Setzen Sie am besten erst mal ein Lesezeichen und schauen Sie später wieder rein. Justizia ist wohl auch nicht schneller als Piaggio...
